Direkt zum Hauptbereich

Könnte die Bibel wirklich so besonders sein?



Vor einigen Wochen war ich wieder auf dem jährlichen CA-Leadership Summit. Aus dem Thema unseres Summits 2012 (Gütesiegel missionaler Gemeinden) ist damals ein Buch entstanden: Grow, where you are planted (Wachse, wo du stehst - 12 Gütesiegel missionaler Gemeinden). Ich bin damals gebeten worden, ein Kapitel zu einem der Gütesiegel zu schreiben. Da ich nach wie vor die vollen Rechte an diesem Kapitel besitze möchte ich es Euch übersetzen und auf meinem Blog zum Lesen zur Verfügung stellen. Mir wurde Gütesiegel Nr. 2 anvertraut, welches mir persönlich sehr am Herzen liegt:

Reife, missionale Gemeinden wurzeln tief in der Schrift und sehen sich in enger Verbindung mit der Gemeinde der Vergangenheit und der Gegenwart. 

Könnte die Bibel wirklich so besonders sein? 


”Wer weiß? Vielleicht ist dieses Buch namens ’Bibel’ ja etwas besonderes. Doch ehrlich gesagt ist es kaum verständlich, völlig veraltet und entweder sonderbar oder gruselig.” Mit dieser Haltung wuchs ich auf, gemeinsam mit vielen anderen Menschen Europas. Als Kind entdeckte ich jedoch irgendwann die einzige Bibel in unserem Haushalt, vergraben zwischen alten Rechnungen und vergilbtem Papier in Papas Schreibtisch. Diese alte Bibel war in altdeutscher Schrift gedruckt, was sie nur noch geheimnisvoller erscheinen ließ. Ich kam mir vor, als sei ich der erste, der dieses Buch jemals öffnete, um ihren Geheimcode zu knacken. Die Gerüchte waren also wahr. Dieses Buch war in der Tat furchteinflößend und unmöglich zu verstehen. Doch irgendwo ganz tief in mir spürte ich, dass dies kein Spiel war. Ein angsteinflößender Ernst ging von jenem Werk aus. Ich kam mir vor, als entdeckte ich eine magische Kristallkugel ohne zu wissen, wie man sie benutzt. Mir war bang, doch zugleich war ich neugierig. Ich hielt den Schlüssel zu einer anderen Welt in den Händen und hatte nicht die geringste Ahnung, wo die dazugehörige Tür zu finden war.

Jahre später fand die Tür mich. Ich war gerettet! Schritt für Schritt begann alles, Sinn zu ergeben. Allerdings war es offensichtlich, dass ”gerettet sein” bedeutete, nun zu einer winzigen Schar Glücklicher gehören zu dürfen, die verstehen darf - im Gegensatz zu Millionen und Abermillionen anderen Menschen Europas, welche nach wie vor in großer emotionaler und intellektueller Distanz zu diesem vermeintlich sonderbaren Buch lebten. Europa, der Kontinent des Christentums, war dabei, sich von einer vormals sehr mächtigen Kirche zu emanzipieren. Sämtliche europäischen Kulturen trieben immer weiter weg vom Buch der Bücher. Wer heutzutage noch täglich die Bibel liest, ist genauso merkwürdig wie einer, der täglich auf dem Pferd zur Arbeit reitet, mindestens aber Papierbriefe statt E-Mails schreibt.

Über 30 Jahre nachdem ich erstmals eine Bibel öffnete und ungefähr 25 Jahre nach meiner ersten persönlichen Begegnung mit Jesus erhielten meine Frau Karen und ich den Auftrag, ein Pionierprojekt in einem der am meisten säkularisierten Länder zu starten. Wir wurden gebeten, neue und frische Ansätze für biblische und doch relevante Gemeinden im 21. Jahrhundert zu entwickeln. Mir war die Schlucht zwischen heutiger, europäischer Kultur und biblischen Texten nur allzu bewusst. Und damit war ich voller Fragen: Wie gründet man eine postmoderne, biblisch fundierte Gemeinde, ohne wie Zeitreisende oder Außerirdische zu wirken? Können christliche Gemeinschaften vormachen, dass diese antike Schrift nach wie vor Relevanz hat? Können wir beweisen, dass das Buch der Bücher der Schlüssel zu einem neuen Leben in einer alten Welt ist? Und wenn ja, wie soll das gehen?!

Wenn wir das westliche Leben des 21. Jahrhunderts mit biblischen Weisheiten und Offenbarungen verbinden wollen, dann werden wir zu Brückenbauern. Der Canyon zwischen biblischer und heutiger Kultur ist immens. Wir müssen lernen, kreativ und einfallsreich zu sein. Vor allem müssen wir ein stabiles Fundament legen, wenn unsere Bemühungen ihr Ziel ohne Brückeneinsturz erreichen sollen. Hier in Schweden befinden wir in jenem Prozess, eine solche neue Brücke zu bauen. Die Gemeinde, die dabei entsteht, genannt H2O, ruht auf mehreren Brückenpfeilern. Drei davon werde ich beschreiben: Auf der einen Seite müssen wir fest in der Bibel gegründet sein. Auf der anderen Seite müssen wir ebenso fest in der uns umgebenden Kultur gegründet sein. Und schließlich muss diese lange Brücke auch auf einem Mittelpfeiler ruhen können, und dies bedeutet, fest im weltweiten Leib Christi gegründet zu sein. Auf geht’s, lasst uns unsere Brückenbaupläne etwas genauer ansehen.

Fortsetzung folgt


© Marcus Fritsch. Aus Steigerwald, Daniel und Crull, Kelly (Hg.). Grow where you're planted. Collected Stories of the Hallmarks of the Maturing Church. Portland: Christian Associates Press, 2013.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eine neue "Engelskala"?

Ich selbst kam gerade erst ins zweite Schuljahr, als die beiden Herren James Engel und Wilbert Norton ein Buch mit dem Titel " What's gone wrong with the harvest? " (Was ist mit der Ernte schiefgelaufen?) herausgaben. Nein, das Buch handelte nicht von Traktoren, Mähdreschern und Güllefässern, sondern um die Ernte der geistlichen Früchte, die Jesus von Kirche und Gemeinden erwartet. Und hier läuft ja bekanntlich so manches schief. Zur Veranschaulichung entwickelte Herr Engel, einer der Autoren, eine Skala. Auf dieser Skala konnte man leicht erkennen, wo man sich auf seiner geistlichen Reise gerade befindet. Als " Engelskala " - was nur etwas mit dem Namen des Erfinders und nichts mit Engeln zu tun hat - gelangte sie zu weltweiter Bekanntheit. Für alle, die noch nie eine Engelskala gesehen haben - so ungefähr sieht eine deutsche Version aus (von mir farblich etwas aufgepeppt): (zum Vergrößern auf's Bild klicken) Man liest die Skala im Prinzip von unten

Gemeinde - ein Verein oder eine Firma?

Bald ist wieder GLS-Zeit in Schweden. GLS heißt Global Leadership Summit und ist nichts anderes als Willow-Creeks jährliche Leiterkonferenz. In Schweden wird GLS in den Großstädten angeboten als eine halb Live, halb aufgezeichnete Veranstaltung. Unser Partner Saron ist Treffpunkt für alle Gemeindeleiter im Göteborger Raum. Natürlich werde auch ich wieder da sein, nicht zuletzt, um andere Gemeinden zu treffen und um getroffen zu werden. Nun habe ich selbst meine Leiterausbildung in den USA absolviert und weiß, dass die Amis hier sehr viel Gutes zu sagen haben. Ich weiß auch, dass die Deutschen in Sachen Menschenführung und Leitung deutlich mehr Nachholbedarf haben als die Schweden. Und so begeistert ich von vielen Dingen auch immer noch sein mag, ein paar Fragen wollen mir nicht mehr aus dem Kopf: Muss Gemeinde wie eine Firma geführt und strukturiert werden? Muss Gemeinde wie ein Verein geführt und strukturiert werden? Und wenn die Antwort auf beide Fragen auch Nein lauten kann, wie mu

Brückenpfeiler Nr. 1: Verankert in der Bibel

Zum ersten Teil der Serie geht's hier.  Brückenpfeiler Nr. 1: Verankert in der Bibel  Eines der tiefgründigsten und eindeutigsten Gebote Gottes findet sich im fünften Buch Mose: Höre, Israel, der HERR ist unser Gott, der HERR allein. Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst. Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore. (5Mos 6,4-9) Diese Worte wurden vor tausenden von Jahren gegeben, doch ihre Botschaft ist immer noch sonnenklar: Tu, was du kannst, um nie von Gottes Geboten abgelenkt zu werden. Simpel, oder? Bei uns im Westen finden wir u